Im Mai 2022 habe ich zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Motorradlärm eingeladen. Zu diesem Thema sprach der ehemalige Mannheimer Verkehrspolizist und bundesweit bekannte Verkehrsexperte, Dieter Schäfer.
Seit meiner ersten Wahl zur Landtagsabgeordneten bekomme ich immer wieder Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zum Thema Verkehrslärm.
Vor allem Anwohner*innen, die entlang der bei Motorradfahrer*innen beliebten Strecke Wangen – Kißlegg – Aichstetten wohnen, haben sich mehrfach mit der Bitte um Unterstützung an mich gewandt.
Für den Nachmittag hatten wir einen Vor-Ort Termin entlang der Strecke Beutelsau – Kißlegg organisiert, zu welchem ich neben Anwohner*innen auch Vertreter der Wangener Polizeidienststelle geladen hatte. Abends folgte eine öffentliche Veranstaltung im Gasthof Ochsen in Kißlegg.
Ich habe mich sehr gefreut, dass der Bürgermeister von Kißlegg, Dieter Krattenmacher, und die Bürgermeisterin von Leutkirch, Christina Schnitzler, zu den beiden Terminen erschienen sind. Auch der Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Wangen, Herr Nicolai Müller nahm an der Abendveranstaltung teil.
Über 40 Jahre im Polizeidienst und nach eigenen Angaben „mit Haut und Haar“ Verkehrspolizist, erläuterte Dieter Schäfer, wie es dazu kam, dass Mannheim 2016 mit einer breit angelegten Anti-Poser Aktion deutschlandweit für Aufsehen sorgte.
Hausbesitzer*innen und Gastwirte*innen hatten sich im Jahr 2016 mit einem entschlossenen Brief an die Verwaltungsspitze der Stadt Mannheim gewandt mit der dringenden Aufforderung, dem Phänomen der Poser etwas entgegen zu setzen. Der Sachverhalt erreichte so die Gemeinderatsgremien. Mit „Poser“ sind meist junge Fahrer gemeint, die mit auffälligen und PS starken Autos oder Motorrädern laut dröhnend durch die Innenstädte fahren. Bei mildem Wetter und oftmals bis tief in die Abendstunden kreist diese Klientel auf „ihrer“ Posermeile, um die Besucher*innen von Straßencafés zu beeindrucken.
„Viele Geschäftsinhaber und Hausbesitzer drohten damit, ihre Geschäfte zu schließen oder aus Mannheim wegzuziehen“ so Schäfer. Gemeinsam mit dem Ordnungsamt der Stadt und unter Beteiligung von Bürgerinitiativen und Bürgervereinen entwickelte Schäfer ein Konzept, das innerhalb kurzer Zeit zu einer immensen Verbesserung der Situation rund um die Auto Poser führte.
Regelmäßig wurden nun Fahrzeuge in der Innenstadt kontrolliert, und Anwohner*innen konnten die Kennzeichen von Fahrzeugen, die durch unnötigen Lärm auffielen, bei einer von der Polizei extra dafür eingerichteten E-Mail-Adresse melden. Jeden Montagmorgen wurden die über die Woche gesammelten Daten ausgewertet. Bei Fahrzeugen, die zum zweiten Mal auffielen wurde ein deutliches Hinweisschreiben an die Fahrzeughalter mit der „Gelben Karte: Stopp Posing“ verschickt und der Nutzer aufgefordert, dieses sozialwidrige Verhalten einzustellen. Auf diese Weise wurden die Lärmverursacher aus ihrer Anonymität gerissen und die allermeisten hielten sich fortan an die Regeln. Mehrfach Auffälligen, die die polizeilichen Aufforderungen ignorierten, wurde seitens der Polizeibehörde Verwaltungszwang in Form von Zwangsgeld angedroht. Diese scharfe Maßnahme musste lediglich zweimal vollstreckt werden.
Dieter Schäfer wies deutlich auf die Unterscheidungsmerkmale von Lärm hin. „Unzulässiger Lärm“ bedeutet, dass das Fahrzeug technisch verändert wurde, hier kann das Fahrzeug stillgelegt werden. Die Lärm-Aktion von Schäfer hatte allerdings das Ziel, „unnötigen Lärm“ zu reduzieren, hier wird auf das Verhalten des Fahrers eingewirkt. Zur Feststellung bedarf es keines technischen Gerätes, es genügen geübte Ohren die nach der Freibeweisregel des Bundesgerichtshofes feststellen, dass das konkrete Lärmverhalten unnötig war.
So hatte die Polizei einen Jaguar-Fahrer 14-mal wegen unnötigem Lärm ertappt und angezeigt. Die Stadt reagierte mit einer Ordnungsverfügung: der Autofahrer habe künftig unnötigen Lärm und vermeidbare Abgasbelästigung zu unterlassen. Gelten sollte das Verbot für das ganze Stadtgebiet. Der Autofahrer klagte, verlor aber in zwei Instanzen.
Das unter dem Aktenzeichen 1 S 500/ 18 veröffentlichte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs BW untersagt es, bei der Nutzung des Fahrzeugs unnötigen Lärm und Abgase zu verursachen, die über die normale Nutzung eines zugelassenen Autos hinausgehen, als Beispiel nennt es „unnötige Gasstöße“, durch die vermeidbarer Lärm und unnötige Abgasbelästigungen entstünden.
„Im Zentrum allen Handelns steht der Bürger“, so Schäfer. Lärm macht die Menschen krank, wiederholte er während der Veranstaltung und es sei die Pflicht des Staates, die Belastung der geplagten Anwohner*innen durch Lärm ernst zu nehmen und diese zu reduzieren. Das benötige, so hatten es er und seine Mitstreiter gezeigt, die Konsequenz, den Rahmen der Verhältnismäßigkeit voll auszuschöpfen, dazu Kreativität und Durchhaltevermögen.
Zum Vortrag waren viele Anwohner*innen erschienen, viele von Ihnen, das konnte man heraushören, bemühen sich meist schon seit Jahren darum, wegen der starken Belastung durch Verkehrslärm auf verschiedenen Ebenen Gehör zu finden. Anwohner*innen der Strecke Wangen/ Beutelsau – Kißlegg (entlang der K8007) aber auch Anwohner*innen anderer Strecken äußerten ihren Unmut darüber, dass trotz vieler Beschwerden nichts oder nur wenig passiert sei, um dem Lärm zu reduzieren. Referent Dieter Schäfer betonte, dass es nur gemeinsam (Bürgerschaft, Gemeinderat, Polizei und Ordnungsamt) möglich sei, dem Problem bei zu kommen.
Dieter Schäfer riet dazu, eine Vorbereitungsgruppe zu bilden, die, unter Benennung eines Koordinators aus zu beteiligenden Behörden und der Polizei, das vorhandene Konzept und die darin enthaltenen Verfügungen auf die örtlichen und sachlichen Gegebenheiten der Region umarbeiten.
Ganz wichtig sei es, so Schäfer, dass an der Erarbeitung eines Aktionsplanes von Anfang an auch Bürgervertreter*innen beteiligt werden. Er betonte auch die Wichtigkeit der Unterstützung durch die örtliche Presse. Diese könne z.B. durch eine Aktionspatenschaft gewonnen werden.
Um die Anwohner*innen in ihrem Bemühen für weniger Lärm durch Verkehr zu unterstützen, biete ich an, bis zur Bildung einer solchen Arbeitsgruppe die E-Mails von Anwohner*inne zu bündeln.
Wer Interesse hat, sich bei dieser Arbeitsgruppe einzubringen, kann sich an mein Wahlkreisbüro wenden unter: petra.krebs.wk@gruene.landtag-bw.de
Das schreibt die Schwäbische Zeitung