Seit 2019 engagiere ich mich mit dem Bündnis Landkreis Ravensburg gegen eine Erstarkung von rechts in unserer Region.
Nachdem seit Beginn der Corona Pandemie auf alle Veranstaltungen verzichtet wurde, freute ich mich in den letzten Monaten besonders auf eine Veranstaltung: den Besuch von Dr. Michael Blume, dem Beauftragten des Landes Baden-Württemberg gegen Antisemitismus.
Besonders dieses Jahr war es mir wichtig, auf die Kultur des Judentums hinzuweisen, denn wir feiern 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.
Am 1. Oktober 2021 war es dann soweit: der Abend begann mit Jüdischer Musik, vorgetragen durch den Leiter des Isnyer Opernfestivals, Hans-Christian Hauser, und der italienischen Sopranistin Maria Anelli.
Herr Hausers Idee, vorab den Text der jeweiligen Stücke vorzutragen und zu übersetzen, traf sogleich den Kern des Abends, denn wie Herr Dr. Blume etwas später ausführen sollte, steht das geschriebene Wort im Zentrum der jüdischen Kultur.
Im Anschluss an die Musik trug der Wangener Nachwuchs-Imam, Herr Mehmet Sen, ein Grußwort zum Thema „Bekenntnis zur Toleranz“ vor.
Herr Sen vom Deutsch-Türkischen Kulturzentrum in Wangen war es wichtig, Herr Dr. Blume, stellvertretend für die jüdische Gemeinde in Deutschland, die Solidarität der Gemeinde auszusprechen und erbat sich gegenseitige Unterstützung.
Im Anschluss begann Dr. Michael Blume seinen Vortrag über die Geschichte des Antisemitismus, und ging dabei auch auf die Entwicklung des Islam ein.
Der Vortrag begann mit einem Rückblick auf die Geschichte des Judentums, und hob die wichtige Stellung des geschriebenen Wortes innerhalb der jüdischen Kultur hervor. Die jüdische Religion ist die älteste der monotheistischen Religionen, wobei die Grundlage des Judentums durch die Tora bestimmt wird, die fünf Bücher Moses. Bei der Feier zur Bar Mizwa (für Jungen) oder Bat Mizwa (für Mädchen) wird der Übergang vom Kind zur physiologischen Pubertät gefeiert, und ein Teil des Übergangs zur religiösen Mündigkeit besteht darin, aus der Tora vorzulesen.
Herr Dr. Blume betonte, wie wichtig es den Juden von jeher war, dass ihre Kinder früh lesen und schreiben lernten. In Zeiten, in denen es in Europa noch eine hohe Zahl an Analphabeten gab, führte dies unter anderem dazu, dass Juden/ Jüdinnen unter Anfeindungen und Repressionen zu leiden hatten. Ausgelöst durch rechtliche oder politische Beschränkungen blieb es den Juden vielerorts versagt, in zünftigen Handwerken oder in der Landwirtschaft zu arbeiten, so arbeiteten sie oft im Handel oder im Finanzwesen. Eine wachsende Zahl an Juden zielte auf eine Karriere in den freien Berufen, wie Arzt, Rechtsanwalt, oder Kaufmann; eine Beamtenlaufbahn blieb den Juden in der Regel verwehrt. Die berufliche und soziale Ausgrenzung, welche Juden in Deutschland und Europa über Jahrhunderte erfuhren, führte paradoxerweise dazu, dass das Judentum häufig religiösen, ideologischen und politischen Anfeindungen, Pogromen und Verfolgung ausgesetzt waren. Der Versuch der Eliminierung der „jüdischen Rasse“ durch das nationalsozialistische Deutschland bleibt dabei der traurige Höhepunkt dieser Entwicklung.
Dr. Blume konnte seinen Vortrag auch mit reichem Wissen aus der Geschichte des Judentums aus anderen Teilen der Erde anreichern, so berichtete er, dass er in seiner Arbeit mit verfolgten Jesid*innen im Irak, selbst dort, wo es seit Jahrhunderten keine jüdische Gemeinde gibt, Anfeindungen gegen Juden erlebte.
Zuletzt konzentrierte sich der Vortrag auf die Zusammenhänge von gesellschaftlichen Umbrüchen und die Auswirkungen der Pandemie auf die Erstarkung antisemitischer Tendenzen in unserer Gesellschaft.
Vielen Dank an Frau Anelli und Herr Hauser für die musikalische Umrahmung, an Herr Sen für das Grußwort, und Herr Dr. Michael Blume für den Einblick in seine wichtige Arbeit und den Diskurs zur Geschichte des Antisemitismus.