„Politisch motivierte Hasskriminalität kommt im Landkreis Ravensburg überwiegend aus der rechtsextremistischen Ecke“ so die Landtagsabgeordnete Petra Krebs (GRÜNE)
In einer Kleinen Anfrage an das Innenministerium hat sich die grüne Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Wangen erkundigt, wie oft es in den Jahren 2021, 2022 und 2023 im Landkreis Ravensburg zu politisch motivierter Hasskriminalität gekommen ist und wo diese Straftaten politisch zugeordnet werden können.
In dem Dreijahreszeitraum gab es im Landkreis 106 Straftaten, die dem Themenfeld „Hasskriminalität“ zuzuordnen sind. Davon entfielen 29 Straftaten auf das Jahr 2021, 42 Straftaten auf das Jahr 2022 und 35 Straftaten auf das Jahr 2023.
71 der insgesamt 106 erfassten Straftaten waren rechtsextremistisch motiviert. Dabei handelte es sich insbesondere um Delikte wie Volksverhetzung, Propaganda und in einigen Fällen auch um Gewalttaten. Zwei der 106 erfassten Straftaten waren linksextremistisch motiviert, eine Straftat war religiös motiviert und bei 15 weiteren Straftaten handelte es sich um Straftaten, die aus dem Ausland stammende ideologische Hintergründe haben. 17 Straftaten hatten eine sonstige Zuordnung.
Eine Straftat unter dem genannten Oberthemenfeld Hasskriminalität kann auch mehreren Unterthemenfeldern und Motivationen zugeordnet werden. Konkret bedeutet dies: Politisch motivierte Hasskriminalität kann aus verschiedenen Motivationen heraus entstehen. In dem betrachteten Zeitraum erfolgte nahezu jede, konkret 104 der 106, der unter Hasskriminalität erfassten Straftaten aus fremdenfeindlicher Motivation und 32 Straftaten hatten zudem einen antisemitischen Hintergrund. Hier fällt auf, dass sich die Anzahl der antisemitischen Straftaten im Jahr 2023 mit 17 Straftaten im Vergleich zum Jahr 2022 mehr als verdoppelt hat.
„Hasskriminalität, egal aus welcher Motivation und aus welcher politischen Ideologie heraus, ist Gift für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Ergebnisse zeigen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit die größte Gefahr für unser gesellschaftliches Zusammenleben im Landkreis Ravensburg darstellen. Sorgen bereitet mir aber auch die zunehmende Anzahl antisemitisch motivierter Straftaten. Bei der Zahl der Straftaten liegt der Landkreis Ravensburg im baden-württembergischen Durchschnitt. Im Jahr 2023 wurden in Baden-Württemberg jeden Tag mehr als vier hassmotivierte Straftaten von der Polizei registriert. Das ist ein erschreckender Höchststand. Es ist wichtiger denn je, gegen Gewalt, Hass und Hetze und für den Schutz von Vielfalt in unserer Gesellschaft einzustehen.“ so Petra Krebs.
Die Bekämpfung der Hasskriminalität ist ein Themenschwerpunkt der Landesregierung. Folgende Initiativen werden verfolgt:
- Kabinettsausschuss: Der Kabinettsausschuss „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ bearbeitet unter Federführung des Innenministeriums und unter Beteiligung des Staatsministeriums, des Kultusministeriums, des Sozialministeriums und des Justizministeriums seit der Auftaktsitzung im November 2021 mehr als 30 Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Bildung und Strafverfolgung. Fast die Hälfte dieser Projekte konnte bereits umgesetzt werden.
- Task Force gegen Hass und Hetze: Die Task Force Hass und Hetze ist beim Landeskriminalamt (LKA) angesiedelt, ihr Fokus geht aber über rein polizeiliche Themen hinaus. So ist ein Hauptaugenmerk auch die Stärkung der Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger. Neben dem LKA sind die Landesanstalt für Kommunikation, die Landeszentrale für politische Bildung, das Landesamt für Verfassungsschutz, das Institut für Bildungsanalysen, das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, das Demokratiezentrum sowie das Landesmedienzentrum Mitglieder der Task Force.
- Initiative Toleranz im Netz: Die Task Force gegen Hass und Hetze hat die Initiative Toleranz im Netz auf den Weg gebracht. Sie stellt umfangreiche Informationen zum Thema Überblick Maßnahmen Hasskriminalität & Schutz von Amts - und Mandatsträger*innen Hasskriminalität bereit, u.a. eine Checkliste für Betroffene von Hass und Hetze im Netz sowie eine Übersicht über Meldestellen und Unterstützungsangebote.
- Sensibilisierung der Polizei: In die Ausbildung des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienstes wurde das Bildungsprogramm "Richtig ermittelt?! Hasskriminalität und rassistische Gewalt erkennen und verfolgen" der Bundeszentrale für politische Bildung implementiert. Außerdem wurden bei den Staatsschutzdienststellen der Polizei Kontaktpersonen für Hasskriminalität benannt – sie sind Expertinnen und Experten in den Bereichen Strafverfolgung, Beratung, Opferschutz und Prävention. Im Rahmen einer Dialogveranstaltung mit Vertreter*innen der queeren Community hat sich das Innenministerium zudem mit dem Thema queere Sicherheit auseinandergesetzt.
- Sensibilisierung der Justiz: Seit Februar 2022 gibt es bei allen Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg Spezialdezernate, in denen die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Delikten der Hasskriminalität gebündelt ist. Bei den Generalstaatsanwaltschaften wurden Ansprechpartner*innen für Hasskriminalität benannt. Um die Kapazitäten für die Bearbeitung von Hasskriminalitätsdelikten zu erhöhen, wurden zusätzliche Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften geschaffen. Außerdem werden Ermittlungsverfahren im Bereich Hasskriminalität nun statistisch gesondert erfasst. Auch in der Fortbildung der Justiz wurde das Thema Hasskriminalität noch stärker verankert.
- Zielgruppengerechte Beratung: Das Land beteiligt sich an der Finanzierung verschiedener Beratungsstellen und Präventionsprogramme. Hierzu gehören etwa die Beratungsstelle Leuchtlinie, die Betroffene rechter Gewalt berät, sowie die Fachstelle Extremismusdistanzierung, die Präventionsprogramme im Bereich des politisch und religiös motivierten Extremismus entwickelt. Darüber hinaus gibt es Anlaufstellen, die vollständig vom Land finanziert werden: Das beim LKA angesiedelte Kompetenzzentrum gegen Extremismus (konex) bietet Ausstiegsberatungen an. Die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen (ZEBRA) berät Menschen, die Orientierung auf dem Markt der Weltanschauungen suchen, u. a. auch mit Blick auf Verschwörungsmythen und Fake News.
- Prävention durch Bildung: Die Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ sowie die Leitperspektive „Medienbildung“ im Bildungsplan bieten wichtige Ansatzpunkte, um Hasskriminalität und digitaler Gewalt entgegenzuwirken. Beispielsweise wirbt die Kampagne „Bitte Was?! Kontern gegen Fake und Hass“ im Auftrag des Kultusministeriums für ein reflektiertes, wertschätzendes und positives Miteinander im Netz.
„Die grün-schwarze Landesregierung nimmt es nicht hin, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft zur Zielscheibe gemacht werden. Alle Menschen in Baden-Württemberg sollen sicher sein und sich sicher fühlen. Deshalb ist es richtig, dass wir in den Kampf gegen Hass und Hetze zu einem Schwerpunkt unserer Innenpolitik gemacht haben. Betroffene besser unterstützen, Polizei und Justiz stärker sensibilisieren, die Strafverfolgung effektiver machen, Präventionsangebote gezielter ausrichten – dafür setzt insbesondere der Kabinettsbeschluss „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ ganz konkrete Maßnahmen um“, so Petra Krebs.
Hintergrundinformationen:
Die statistische Erfassung politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt auf der Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD). Dem Themenfeld „Hasskriminalität“ werden politisch motivierte Straftaten zugeordnet, wenn die ideologische Vorstellung der Täterschaft an die Vorstellung einer angeblichen Ungleichwertigkeit von Menschen anknüpft.
Weitere Informationen zur Häufigkeitsstruktur und phänomenologischen Zuordnung der politisch motivierten Hasskriminalität im Landkreis Ravensburg können der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Krebs (Drucksache 17/6945) entnommen werden.
Links:
Leuchtlinie: https://www.leuchtlinie.de/
Fachstelle Extremismusdistanzierung: https://fexbw.de/
Konex: https://www.konex-bw.de/
ZEBRA: https://zebra-bw.com/
Bitte Was?! Kontern gegen Fake und Hass: https://bitte-was.de/